Assoziationen zur Fotoausstellung
Das Beste aus 5 Jahren London

Im Vorfeld dieser Ausstellung haben die anderen aus unserer Fotografengruppe auf mich gezeigt:  „Bei der Vernissage ist es ja dein Job ein paar Worte zu sagen!“ – Nur ein paar Worte…? Und das bei meinem Lieblingsthema…?! Na gut, so let’s make it short:

Vor 6 oder 7 Jahren fragte ich meinen Kollegen Rolf Wegst „Sag mal, Rolf, was würdest du davon halten, wenn wir mal eine Fotoreise nach London anbieten würden?“ Da hat der Rolf sein schönes schwäbisches Haupt gewiegt und hat sanft und wortlos gelächelt. Ich habe das als Zustimmung aufgefasst und habe auch gelächelt… Auf nach London also. Und damit sind wir schon bei der einfachen, aber eben auch zentralen Frage „Was eigentlich ist das – London?“ Die kürzeste Antwort hierauf lautet: London ist nicht eins, ist auf keinen Fall eine Einheit.

Dazu ein paar beliebige Beispiele: Der historische Kern, die City of London, ist mehr denn je ein Hotspot der Kapitaljongleure, der skrupellosen Investoren, der Geldverberger. Versteckt ist aber auch – inmitten der Glaspaläste – dieser Herrenfriseur, bei dem man nach dem Haareschneiden in den Keller klettern kann und wirklich vor der historischen römischen Stadtmauer steht. Die Grundstruktur der getrennten Stadt manifestiert sich eh seit Jahrhunderten in der 2-Teilung durch die Themse „North of the river / South of the river“. (Quasi die London-Variante des Frankfurter „Hibbdebach / Dribbdebach“). Die Alteingesessenen auf dem Nordufer wissen daher schon immer – oder meinen zu wissen – „Da drunten, mein Gott, da kann man doch nicht wirklich leben!“ („How can anyone live there“). Umgekehrt sind sich viele Südlondoner sicher, dass „die da drüben“ nur eingebildete Schnösel sind, ohne echte Ahnung vom richtigen Leben. Also: „Real life is downsouth.“

Jenseits dieser eher anekdotischen Trennlinie erleben Stadt und politisch Verantwortliche fundamentale soziale Spannungen und Verwerfungen. Nirgendwo wurde das deutlicher als im klassischen „East End“, als nach 2000 das vermeintliche Glückslos „Olympische Spiele 2012“ gezogen wurde. Die Gentrifizierung, die Verdrängung der Schwächeren und Älteren, ist aktuell die größte Herausforderung, noch verschärft durch die Tatsache, das solider Mittelstand – sprich Pflegepersonal,  Polizisten, Feuerwehrleute, Verwaltungs-angestellte, die Man- und Womanpower von London Transport – regelrecht aus der Stadt vertrieben werden, denn bezahlbarer Wohnraum wird seltener, tagtäglich. Zur gleichen Zeit stehen abertausende Wohnungen leer. Einfacher deprimierender Grund – Spekulation.  Internationale Kapitalanleger erzielen hier Renditen, die kein Wertpapier bieten kann. Halten wir dennoch eines fest: Von 34 Londoner Stadtbezirken haben 32 gegen den Brexit gestimmt. Das heißt, auch in Zukunft sind wir als Besucher in der Stadt immer willkommen, in der tröstlichen Erkenntnis, das vielfältige London verweigert sich den einfältigen Verheißungen der Brexiteers…

Wenden wir uns nun ab von den Protagonisten der Politshow und kommen wir endlich zu den Protagonisten des heutigen Abends, den „True London Photo Nuts“ und ihrer ganz persönlichen Sichtweise auf die Vielfalt und verborgenen Reize der Stadt. 2 von ihnen waren in den letzten 5 Jahren immer dabei: Michael Ramm aus Kassel und Christoph Handrack aus Gießen. Für eine eigene weibliche Perspektive stehen Ulrike Fay aus Frankfurt, Gabriele Hoster aus Oberbiel und Marianne Rupf aus Winnen. Last, but certainly not least, haben wir Toni Hartinger aus München und Reimund Schmidt – De Caluwe, hier vom Gießener Hardthof.

Liebe Gäste, alle diese Fotografen freuen sich darauf, zwanglos mit Ihnen ins Gespräch zu kommen und sich über London auszutauschen. Have fun everybody. Einen schönen Abend!

 [Dieter Wagner, Rede zur Eröffnung der Ausstellung]

Presse: Ankündigung in der Gießener Allgemeinen Zeitung >>> GAZ | Artikel über die Ausstellungseröffnung im Gießener Anzeiger >>> GA

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